Mirage
Das Exponat „Mirage“ zeigt eine interessante optische Täuschung: Ein Kristall liegt wie auf einem Präsentierteller vor einem Beobachter. Aber greift man nach ihm, so greift man schlicht — ins Leere. Wie ist das möglich? Im nachfolgenden Text wollen wir ein wenig näher darauf eingehen, was der mathematische Hintergrund hinter dieser Täuschung ist.
Das Exponat benutzt zwei Parabolspiegel, die den seltsamen Effekt erzeugen. Solche Spiegel kommen zum Beispiel auch in Spiegelteleskopen und bei der Satellitenkommunikation zum Einsatz.
Und nun … die Mathematik dazu:
Was ist ein Parabolspiegel und warum ist er so nützlich? Um dies zu verstehen, müssen wir erst einmal die Parabel näher unter die Lupe nehmen: Die Standardparabel, die aus dem Schulunterricht bekannt ist, wird durch die Gleichung beschrieben. Wir wollen nun die Eigenschaften dieser Kurve näher untersuchen. Falle dazu ein Lichtstrahl
(
) von oben ein; dieser kann beschrieben werden durch die Gleichung
Hierbei ist ein reeller Parameter. Im Punkte
wird dieser Strahl
nun reflektiert. In diesem Punkt hat die Tangente den normierten Richtungsvektor
. Damit ist der Normalenvektor gleich
. Wir erhalten also für den Richtungsvektor des ausfallenden Strahles
:
Hierbei ist das Skalarprodukt der Vektoren
und
. Damit ist der ausfallende Strahl
gegeben durch die Gleichung
Setzen wir in dieser Gleichung nun die -Koordinate auf null, so erhalten wir
. Damit ergibt sich
Alle von oben einfallenden Strahlen (
) werden also so reflektiert, dass der zugehörige ausfallende Strahl
durch den Brennpunkt
verläuft. Außerdem können wir noch die Länge der Strecke
berechnen:
Diese Strecke hat also genau dieselbe Länge wie der Abstand vom Punkt zu der Horizontalen
(der sogenannten Direktrix der gegebenen Parabel) ist.
Funktionsweise des Exponats
Das Exponat „Mirage“ macht sich die obigen beiden Eigenschaften der Parabel zunutze. Dazu rotiert man zunächst die Standardparabel um die -Achse und erhält so die Gleichung
eines sogenannten Rotationsparaboloids . Dieser wird auch für Spiegelteleskope eingesetzt. Was ist nun die Idee hinter dem Exponat? Wir wollen dies nachfolgend beschreiben. Das Prinzip, das dahinter steht, kann auch zur Übertragung von anderen Wellen (z.B. Schallwellen) eingesetzt werden:
Wir nehmen zwei Parabolspiegel und
. Sagen wir, der Spiegel
sei identisch mit dem Standardrotationsparaboloid
. Der Spiegel
steht nun dem Spiegel
in einem gewissen Abstand
gegenüber. Er wird also beschrieben durch die Gleichung
. Wenn man die beiden Parabolspiegel
und
beliebig weit fortsetzen würde (d.h. für all
) schnitten sie sich also in dem Kreis
, der gegeben ist durch die Parametrisierung
für einen Winkel mit
. Für reale Zwecke, brauchen wir die beiden Spiegel aber nur bis zu einem gewissen Radius
fortsetzen (d.h. für
).
Seien bzw.
die jeweiligen Brennpunkte von
und
. Dann gilt gemäß der obigen Betrachtung
und
Wir gehen nun von einem Strahl aus, der im Brennpunkt startet. Sagen wir, dieser sei gegeben durch die Gleichung
Hierbei misst der Parameter den Anstieg des Strahles
. Damit dieser auf den Spiegel
trifft, benötigen wir einen relativ kleinen Anstieg von
. Wird der Strahl
nun an
reflektiert, verläuft der ausfallende Strahl danach — gemäß den obigen Überlegungen — parallel zur
-Achse in einem Abstand
. Dieser an
reflektierte Strahl wird dann wiederum von
reflektiert, sodass der ausfallende Strahl dann (wieder wie oben) genau durch den Brennpunkt
verläuft. Mit der gleichen Begründung wird auch ein Strahl
, der in
startet — so sein Anstieg
groß genug ist (nämlich
) — nach zwei Refexionen in
ankommen.
Für Anwendungen ist es noch wichtig zu wissen, wie lang die dabei zurückgelegte Strecke des obigen Strahles bei seinem Weg von
nach
ist. Nehmen wir dazu an, dass dieser in den Punkten
und
reflektiert wird (die Gerade
ist also parallel zur
-Achse verläuft). Weiter sei
der Abstand von
(und damit
) zur
-Achse. Dann gilt, wie oben erläutert:
Wenn wir also den Gesamtweg, den der in startende Strahl
von
nach
zurücklegt, berechnen, erhalten wir:
Diese Distanz ist also unabhängig von .
Was sind nun die Anwendungen dieser Konstruktion? Zum Beispiel kann man auf diese Weise Schallwellen (oder andere Wellen) gut über eine weite Distanz übertragen: Dazu setzt man die Schallquelle in den Punkt
. Die von dieser Quelle ausgesandten Schallwellen werden nun an den Parabolspiegeln
und
so reflektiert, wie wir es gerade hergeleitet werden. Dadurch konzentrieren sie sich wieder nach einer gewissen Zeit, die der Schall zum zurücklegen der Strecke von
über die Reflexionspunkte
und
nach
benötigt, im Brennpunkt
. Diese Zeit ist aber proportional zur Strecke
, welche ja — wie oben hergeleitet — die konstante Länge
hat (unabhängig vom ausgehenden Strahl). Damit findet auch keine Verzerrung statt: Das übertragene Audiosignal trifft im Punkt
von allen Richtungen zur gleichen Zeit ein. Diese Funktionsweise wird zum Beispiel bei Satellitenschüsseln ausgenutzt.
Auch das Exponat „Mirage“ benutzt diesen Trick — allerdings anders als bei der Radiowellenübertragung. Wohingegen bei dieser die Entfernung zwischen den beiden Spiegeln besonders groß ist, ist sie bei unserem Exponat besonders klein: Setzen wir einmal
(also genau auf die Brennweite). Diesmal legen wir unsere „Quelle“ nicht in den Brennpunkt
, sondern in
. Ebenso lassen wir die Spiegel einander berühren, d.h.
. Geht nun ein Strahl
von aus und ist der Anstieg
groß genug, so wird
erst an
und dann an
reflektiert und „endet“ schließlich in
. Unabhängig von Anstieg und Richtung wird dabei immer dieselbe Strecke von
zurückgelegt. Schneidet man also in
ein kleines kreisförmiges Loch um
herum aus, so erscheint ein Objekt (beim Exponat: ein Kristall), das sich eigentlich im Ursprung
befindet, dem Beobachter plötzlich so als läge es im darüberliegenden Punkt
. Diesen einfachen Trick macht man sich bei dem Exponat zunutze.
An dieser Stelle sei noch bemerkt, dass sich bei zweimaligem Spiegeln auch die Orientierung zweimal umkehrt, sodass der Kristall auch nicht spiegelverkehrt erscheint.
Wenn Du noch ein schönes anschauliches Erklärungsvideo zu den obigen Thematik sehen willst, schau Dir doch das Video [1] des YouTubers Mathologer an.
Literatur
[1] https://www.youtube.com/watch?v=0UapiTAxMXE
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Parabel_(Mathematik)